Foto von Claus  
   

Grußworte zur Ausstellung von Prof. Dieter Strümpel
Bildbesprechung von Prof. Dieter Strümpel zu FischGericht
 
Weitere Bilder zur Ausstellung sehen Sie in der Galerie.
 

TraumA MaschinenMenschen
 
Grußworte von Prof. Dieter Strümpel
 
Angenommen, Sie interessieren sich für Kunst, aber wissen Sie denn überhaupt, was Kunst ist? Nach dem Lexikon ist Kunst eine "Bezeichnung für die Gesamtheit des von Menschen Hervorgebrachten, das nicht durch seine Funktion eindeutig festgelegt oder darin erschöpft ist, zu dessen Voraussetzungen hohes spezifisches Können gehört und das sich durch seine gesellschaftliche Geltung auszeichnet als Ausdruck von Besonderheit".
 
Und da eine der Existenzbedingungen der Kunst deren Freiheit zumindest von totaler Reglementierung ist, wird Ihnen mit dieser Ausstellung auch "Einiges" zugemutet. Vorsicht ist geboten, denn Trauma bedeutet Wunde, Verletzung, Gewalteinwirkung in körperlicher und psychischer Hinsicht. Nun ist auszuschließen, daß ein Bild auf Sie herabstürzt - aber: bei der Betrachtung der Bilder geht es um AufSchrei, AbNeigung, ErKennen, ZielScheibe, DurchDringung, ÜberDehnung, EinSicht, EinEr, SpurLos, SprungHaft, FallOut und AbSchied.
 
Auf den Sinn der Doppeldeutigkeit dieser Bildertitel sollten Sie unbedingt achten-, sie sind teilweise der Schlüssel zur Bedeutung des Bildes, so, wie der Künstler es versteht und dienen somit dem Verständnis.
 
Doch nun zur Ausstellung und zum Katalog, den Sie gerade in den Händen halten. Gezeigt werden großformatige ölbilder von Claus Caninenberg aus den Jahren 1995 und 1996, also brandneue Werke.
 
Claus Caninenberg lebt in Hellental/ Solling, umsorgt von seiner Frau Gisela, umgeben und besucht von Kindern und Enkeln, umschnurrt von Katzen und eingebettet in eine herrliche Landschaft. Seine berufliche Täitigkeit, die ihn auch in fremde Länder wie Kolumbien, Gabun und Jordanien führte, liegt seit zwei Jahren hinter ihm.
 
Diese Ausstellung in Hameln ist ein JubiIdumsereignis, denn seine erste hatte Claus Caninenberg bereits vor 25 Jahren. Schon längere Zeit gelebt zu haben, das heißt, daß vielfältige, ausgeprägte Lebenserfahrungen die Entwicklung des Künstlers prägen: Umgang mit Menschen, Mitmenschen, auch vieler anderer Länder, mit Tieren, Pflanzen - und immer der Versuch, zu verstehen, sich zu verständigen, Zweifel zu beseitigen und zu helfen. Daneben die Beschäftigung mit den Materialien und Vorgängen der Technik, mit der täglichen Konfrontation Mensch- Technik und der Gefahr, daß das Gefühl durch den Verstand verdrängt wird und der Mensch nur noch maschinenhaft funktioniert.
 
Sie fühlen sich von dieser Lebensauffassung angesprochen? Gut so, denn diese Aussagen führen direkt auf den Titel der Ausstellung: TraumA - MaschinenMenschen. Anklagend erkennt Claus Caninenberg uns als Menschen, die gezwungen werden von einer Welt, in der die Durchsetzung individueller Interessen Einzelner und Gruppen Priorität hat, in sowohl Mitmachen als ouch Verweigerung deformativ wirken. "Ins Getriebe geraten" und damit völlig wehrlos geworden ist alles Kreatürliche. Genau das stellt der Künstler in seinen Bildern sehr eindrucksvoll dar.
 
Bild EinSicht
EinSicht
Öl auf Leinwand,110 x 130 cm, 1995
Fragen Sie ihn, wenn Sie die Fülle der in seinen Bildern versteckten Symbole und Aspekte kennenlernen wollen; Sie werden erleben, daß Gespräche mit ihm immer Interessantes vermitteln, von Gedankensprüngen leben und mit skurriler Deutung realer Ereignisse überraschen. Wunsch und Wirklichkeit, Dichtung und Wahrheit verschmelzen zu einem Gesprächskonglomerat, das fantastisch, erschreckend, amüsant, verwirrend - einfach unglaublich sein kann. Sein Ideenreichtum wird Sie verwirren - wie das richtige Leben. Sie haben sicherlich schon einen Blick auf die Bilder geworfen und festgestellt, daß deren Betrachtung Bedenkzeit erfordert. Beim Blick in die Seele des Bildes zeigt sich dann, worauf es Claus Caninenberg vor allem ankommt: nämlich mitzuteilen, daß nur allzu schnell der Traum vom Glück zum Trauma verkommen, daß nur eine Schwelle weiter der Abgrund warten und Chaos ausbrechen kann. Auch das läßt sich aus unserem technischen/ atomaren Zeitalter herausdenken, daß durch das Beherrschen mathematischer oder statischer Fähigkeiten die Welt nicht outomatisch menschlicher wird.
 
Warum klammern wir uns denn überhaupt so vehement an das Räderwerk und an Äußerliches? Wir sollten doch wissen, daß wir dadurch nicht den Sinn unserer Identität erfassen, daß vielmehr das menschlich Verbindende verloren geht und die Zuneigung schließlich nur noch aus gedachten Gefühlen besteht. Da muß man erst einmal tief Luftholen und in Ruhe darüber nachdenken! Das Besondere jeder Zeit bieten die Künstler. Sie fordern zum Denken heraus, wagen durch Kreativität zu stören, verunsichern die Angepaßten, d.h., die sogenannten Realisten, stellen Ordnungsprinzipien in Frage und erinnern immer wieder an das Wesentliche, das heißt an die Freiheit.
 
Haben Sie schon die "Philosophen" gesehen? Dieses Bild mit dem Titel EinSicht könnte Sie nämlich nachdenklich stimmen - oder auch wütend. Nachdenklichkeit kann zu einer zukunftorientierten Meinung führen und Sie anregen, im Sinne der Arterholtung aktiv tätig zu werden. Und wenn Sie wütend werden, dann deutet auch dieses Gefühl an, daß Sie längst begriffen haben, daß Veränderungen überfällig sind - sagen die Psychologen.
 
Sie sollten aber nicht wütend werden, sondern in aller Ruhe und mit Hinwendung zu den Bildern durch die Ausstellung wandeln, mit bekannten und unbekannten Menschen ins Gespräch kommen und auch mit dem Künstler Claus Caninenberg über sein "TraumA" ein paar Worte wechseln
 
Ich wünsche Ihnen "Viel Spaß" - trotz der Thematik der Ausstellung
 
[zum Seitenanfang]  
FischGericht
 
Bildbesprechung von Prof. Dieter Strümpel
 
Bild FischGericht
FischGericht
Öl auf Leinwand,90 x 700 cm, 1995
Vor einem Bild zu stehen, es zu betrachten und dann etwas dabei zu fühlen und zu denken - wie geht das überhaupt? Ich weiß es auch nicht so genau, aber versuche es einmal und wähle mir dafür aus dieser Ausstellung das Bild FischGericht aus.
 
Was ich auf dem Bild sehe
Spontan sehe ich Fische, vier Fische, alle eher traurig. Einer liegt auf einem Teller oder befindet sich in einem Kreis, ein anderer ist ziemlich zerrupft. Am meisten beeindruckt mich der Fisch unten links in der Ecke. Er hat ein richtiges Fischmaul und sieht so "natürlich' aus. Auf dem Teller, der vielleicht doch eher eine Scheibe oder ein Rad ist, sind zwei Menschen, Männer, gekrümmt an- oder eingebunden. Ihre Köpfe sind Metallscheiben mit Nieten oder Schrauben und von Stahlstangen durchbohrt. Und auch die Knochenteile und Gelenke sehen sehr künstlich aus. Von den Farben fallen mir zunächst das helle Gelb im Hintergrund und die überwiegenden Blau und Grüntöne auf. Eine eher freundliche Stimmung. Ja, das Bild sieht auf den ersten Blick ganz angenehm aus,- doch, wenn man genauer hinguckt, ...
 
Was ich von dem Bild inhaltlich erfasse
Da ist zunächst der Titel: FischGericht. So eigenartig geschrieben, so zweideutig, daß ich denke, die rechtsprechende Gewalt entscheidet hier gerade über den konkreten Fall der Zukunft der Fische. Ein wichtiges Urteil? Freispruch, wovon oder Verurteilung, wozu?
 
Fische, die gar nicht mehr "in ihrem Element sind", sich nicht "wie ein Fisch im Wasser fühlen", die als Speise dienen können, eben als Fischgericht. Doch noch gedecktem Tisch oder gar nach heiliger Speise sieht es auf dem Bild auch nicht aus. Fische, symbolisch betrachtet, stehen für Ganzheit, Ahnungen, Gefühle, Sensibilität. Tote Fische in diesem Zusammenhang für Seelenqual, Mißtrauen, Chaos und verlorene Hoffnungen. Und nehme ich die eingezwängten, maschinenhaft funktionierenden Männer und "das in den Kreis gezwungen sein" dazu, dann denke ich, daß des Bildes Inhalt den Verlust des Natürlichen durch eine Entwicklung zur Seelenlosigkeit bedauert. Eine Warnung des Künstlers, die dargestellte Ausweglosigkeit ernst zu nehmen und sich verstärkt um die verlorengegangene Welt der Gefühle zu kümmern.
 
Welchen Sinn das Dargestellte für mich hat
Das FischGericht gibt mir zu denken, wie man so sagt. Geschundene Menschen, umgeben von sich ausbreitender Seelenlosigkeit, in einen Kreis gezwängt. Was sich im Kreis cibspielt, hat - durch verschiedene Kulturen hindurch - besondere Bedeutung. Der Kreis bietet Schutz, symbolisiert Ewigkeit, hier hat der Teufel nichts zu suchen, denn "der sitzt in den Ecken". Der Kreis als Darstellung des Kosmos und als Hoffnung auf Zusammenhalt. Doch des Bildes Kreis ist brüchig, er könnte auch rotieren und so die sich krampfhaft am Leben festhaltenden Menschen von der Erde schleudern - eine Gefahr, die im Umweltbereich zum Beispiel durch Ozonloch und Treibhauseffekt mit verheerenden Veränderungen vorausgesagt wird. Dann müssen auch die Fische weitere Qualen erleiden. Schon heute sind viele Arten ausgestorben oder krank und die Weitmeere weitgehend leergefischt. Mit den Fischen, dem Leben aus der Tiefe, steht auch das Gefühl vor Gericht. Sachlichkeit ist gefragt, was zählt ist einzig der Erfolg, das heißt, die Durchsetzung, der Konsum. So ergibt sich für mich durch die Betrachtung des Bildes FischGericht dieser Sinn: Die, oberflächlich betrachtet, noch harmonisch anmutende Weit, eine Welt mit Menschen, Tieren und Pflanzen steht in Gefahr, ihre Seele zu verlieren und zerstört zu werden. Gelb als Warnfarbe. Wir sind aufgerufen zur Menschlichkeit, zum Miteinander; auch über Ländergrenzen hinaus. Gemeinsamkeit, Vertrauen, Teilen, Teilhabenlassen und Freude an der zu schätzenden Natur sind Quellen der Hoffnung.
 
Nachwort
"Phantasie ist wichtiger als Wissen", hat Albert Einstein einmal gesagt. Auch bei der Betrachtung eines Kunstwerkes ist Phantasie gefragt. Aus der Fülle der Erfahrungen, Gefühle und des Wissens entstehen so ganz besondere Eindrücke. Damit ergeben sich Einblicke in die vielfältigen Angebote künstlerischen Schaffens und damit ein Gewinn für die eigene Erkenntniserweiterung. Da es keine allgemeinen Regeln für den Umgang mit Kunstobjekten gibt, kann deren Betrachtung so beschrieben werden: Bereicherung durch Erfühlen, Erleben und Verstehen des "Besonderen".
 
Ich bin erfreut darüber, daß es Kunstausstellungen gibt, und empfehle Ihnen, sich auch einmal den Versuch und damit den Zauber einer Interpretation zu gönnen.
 
[zum Seitenanfang]   [zur übergeordneten Seite]